
Um 9:30 sollte die Tour starten. Um 9:40 Uhr kamen dann die vier Guides mit dem Material und immer mehr Gipfelaspirant*innen versammelten sich am Startplatz. Mit der Einweisung ins Gurtzeug und der Ausgabe der Grödel zog sich der Start bis 10:10 Uhr hin. Jens verlor ab 50 Teilnehmenden den Überblick beim Zählen der Gruppe. Die erste Stunde ging es ganz entspannt über ein Blockfeld zum Beginn des Gletschers. Hier teilte sich die riesige Gruppe in 4 Seilschaften auf. Ich hatte das Glück, dass ich zu den wenigen Nichtnorweger*innen gehörte und direkt hinter dem Englisch sprechenden Guide in der 1. Seilschaft über den Gletscher starten durfte. Das brachte mir für 45 Minuten die Illusion, fast allein unterwegs zu sein.

Der Gletscher ist vollkommen schneefrei und gut einsehbar. Man benötigt den Guide nur, um die sicherste Route zu finden. Die wenigen Spalten in der Aufstiegsroute waren sehr gut zu erkennen. Nach dem Gletscher folgte ein kurzes Steilstück über Blockgelände, das wir noch im Seil gehen mussten. Das war eher eine unangenehme Erfahrung, besonders wenn die hinter einem Laufenden zu abrupten Bremsmanövern neigen und man fast vom Tritt gerissen wird. Der Blick zurück zeigte die Massen und kurz konnte ich Jens‘ Entscheidung verstehen, dass er nicht mit wollte. Ihm waren es einfach zu viele Menschen auf einem Fleck.

Nachdem wir endlich aus dem Seil durften, ging es in (fast) freigewählter Geschwindigkeit auf den Gipfel. Der Galdhøppigen ist mit 2469m der höchste Berg Norwegens und auch der höchste Nordeuropas. Er hat vor ein paar Jahren den Glittertinden als ehemals höchsten Gipfel abgelöst. Leider ist das eher ein trauriges Ergebnis der Klimaerwärmung. Die dauerhafte Eishaube des Glittertinden ist fast vollständig abgeschmolzen, so ist er nun 5 Meter niedriger. Die Sicht vom Gipfel des Galdhøppigen lohnte definitiv den Aufstieg auf dieser „Autobahn“ und reichte bis über den Gletschersee an der Juvasshytta hinaus. Es gibt noch einen gletscherfreien Zustieg auf den Galdhøppigen von einem anderen Tal aus. Allerdings ist die Tour mit 10-12 Stunden Gehzeit deutlich länger und der Ausgangspunkt der Tour wäre für Trudy noch schlechter erreichbar gewesen.

Ausnahmsweise stimmte der Wetterbericht und gegen 14:00 Uhr setzte mitten im Abstieg der Regen mit ein paar Schneeflöckchen ein. Recht nass kamen wir an der Juvasshütte an und mein Weg führte direkt in die Dusche. Die Tür dazu öffnet man hier übrigens mit seiner Kreditkarte (ca. 3 EUR für unbegrenzt warmes Wasser). In den Alpen ist es immer noch üblich, für eine mehrtägige Hüttentour ein Bündel mit Bargeld mitzuschleppen, da man kaum mit Karte zahlen kann. Da das Wetter neben mehr Regen auch Schnee versprach, entschieden wir uns für eine Fahrt ins Tal. Um die Bremsen bei mehr als 1500 Höhenmetern nicht heißlaufen zu lassen, ging es bei den satten 10 Prozent Gefälle im gleichen Gang nach unten, wie wir hochgefahren waren. Im ersten. Es war zugleich das erste Mal, dass wir eine Wanderkarte beim Autofahren anstelle von Google Maps offen hatten. So ließ sich anhand der Höhenlinien leichter nachverfolgen, wie viel Höhe wir schon abgebaut hatten. Trudy kam mit lauwarmen Bremsen sicher wieder im Tal an.