Nach einem fulminanten Sonnenaufgang starteten wir gestern in Richtung Meer. Für die Strecke von 115 km berechnete Google Maps eine Fahrzeit von knapp drei Stunden. Damit war klar, wie die Straßen sein würden. Klein, schmal und kurvenreich. Stück für Stück arbeitete sich Trudy in die Höhe, bis wir auf dem Passo del Cerreto ankamen.
Hier verläuft eine europäische Wasserscheide und gleichzeitig die Grenze zwischen der Toskana und der Emilia Romagna. Interessanterweise ist es auch eine kulinarische Grenze. Während in der Toskana eher Olivenöl und Fisch die Küche bestimm(t)en sind es in der Emilia Romagna Butter, Käse, Nüsse und Schweinefleisch. Apropos Schwein: Wir wissen nun, was uns der Wirt als Hauptgang serviert hatte. Im Supermarkt entdeckten wir Cotechino, den Begriff hatten wir immerhin verstanden, als unser Essen kam. Es ist Eisbein als eine Art Rohwurst mit Majoran und anderen Gewürzen. Uns hat es hervorragend geschmeckt. Dazu gab es Kartoffelbrei mit Parmesan. Es war gut, dass es im Restaurant keine Speisekarte gab und unser 3-Gänge-Essen aus den Vorschlägen des Kochs bestand. Sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht bestellt. Der Name der Wurst kommt vom italienischen Wort für Schwarte …
Am Pass fiel die spontane Entscheidung, dass wir gern einen Gipfel versuchen wollten. Von dort gäbe es die Chance, die Alpen und das Mittelmeer zu sehen. Ein Blick auf die Karte zeigte, dass es in wenigen Kilometern Entfernung einen Campingplatz gab. Sollte er offen sein, würden wir bleiben. Das Handynetz war allerdings so dünn, dass wir nicht einmal das Wetter für die nächsten Tage checken konnten und reichte erst recht nicht, um die Website des Campingplatzes zu öffnen. Also fuhren wir hin.
Der Platz ist offen und auch wenn wir beim Eintreffen dachten, es wäre nur ein Bungalowdorf, bekamen wir von einem fröhlich grinsenden mazedonischen Mitarbeiter einen Platz mit Strom. Sogar die Duschräume mit heißem Wasser sind in Betrieb, jedoch nicht wirklich gut beheizt. Seit Österreich gab es so gestern Abend die erste Dusche. Ein lang vermisster Genuss. Und nein, wir müffeln nicht. In Trudy kann man sich ziemlich gut und warm waschen. Theoretisch ist auch duschen 🚿 möglich. Allerdings bedeutet es einen hohen Frischwasserverbrauch und auch der Abwassertank füllt sich für unseren Geschmack dann zu schnell.
Knapp 1,5 km vom Campingplatz entfernt liegt der kleine Skiort Cerreto Laghi und wir planten, über einen Winterweg zum Gipfel der Liftstation aufzusteigen.
Im Wald lag wenig Schnee und der Weg war gut zu erkennen. Allerdings führte er uns zur Skipiste zurück. Die Italiener sehen selbst Skitourengeher*innen nicht gern auf ihren Abfahrten, da wollten wir erst recht nicht als Fußgänger dazwischen geraten. Nordseitig pfiff in größerer Höhe dann ein ordentlicher Wind und wir drehten um. Leider gab es keine Möglichkeit, mit dem Lift mitzufahren und so konnten wir nicht ausprobieren, ob der Blick vom Kamm des Apennin so weit reicht, dass man tatsächlich Meer und Alpen sehen kann.
Es ging zurück in den Ort und dort trafen wir auf die geballte Ladung betonierter Bausünden aus den 70er-90er Jahren. Viele Objekte stehen leer und wer will, kann dort kleine Wohnungen inkl. Garagenplatz zwischen 60.000 und 90.000 EURO kaufen. Die Gegend ist wunderschön und sicher zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Der Anblick des langsam verrottenden Betons ist ziemlich abschreckend und gibt dem Ganzen die düstere Aura einer verlassenen Stadt.
Wir verzogen uns zum Lago Pranda, einem kleinen zugefrorenen See. Hier war die Schneedecke auf den Wegen bretthart gefroren und bei mir kamen die Grödel zum Einsatz. Jens kämpfte sich tapfer ohne bis zum Campingplatz zurück (er hatte sie im Rucksack 😏). Die letzten 4 km waren die rutschigsten des Tages.
Kaum mit den letzten Sonnenstrahlen wieder bei Trudy angekommen, änderte sich das Wetter rasant und die Sichtweite sank innerhalb einer halben Stunde in Richtung Null. Heute Nacht soll es schneien. Mal sehen, ob der Wetterbericht stimmt und es morgen früh dann auch wieder aufhört, so dass wir den Pass ohne Schneeketten hinunterkommen. Oder wir müssen länger bleiben. Mal sehen. Wir haben keine Eile.